Immer wieder erreichen uns Anfragen von Mitgliedern zu rechtlichen Themen. Hier ein Fall, der von unserem Mitglied Jens Neumann mitgeteilt wurde.
Das Landgericht Berlin (66.Kammer) hält daran fest, dass infolge einer Schonfristzahlung des Mieters gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch eine ordentliche Kündigung des Vermieters wegen Mietrückstands unwirksam wird. Neben einer fristlos gem. § 543 BGB ausge-sprochenen Kündigung, führt eine Schonfristzahlung gemäß 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB also auch zur Unwirksamkeit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Dies stellte das Landgericht Berlin, in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), im Juli 2022 klar.
Ein Vermieter hatte wegen eines Mietrückstands seines Mieters das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich (fristgemäß) gekündigt. Da der Mieter nicht freiwillig auszog, klagte der Vermieter auf Räumung. Der Mieter glich jedoch innerhalb der zweimonatigen Schonfrist gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB den Mietrückstand vollständig aus.
Das LG Berlin entschied zu Gunsten des Mieters, dass durch den Ausgleich des Mietrückstands nicht nur die fristlose Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam wurde. Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung wurde durch die Schonfristzahlung unwirksam. Die Wirkung der Schonfristzahlung sei, so das LG Berlin, auch auf die ordentliche Kündigung zu erstrecken.
Mit dieser Entscheidung stellt sich das LG Berlin offen gegen die hinsichtlich der Schonfristzahlung gemäß § 569 BGB ergangene Rechtsprechung des BGH und bestreitet eine für das LG Berlin verbindliche Bindungswirkung. Das Gericht sei, von Ausnahmen abgesehen, frei darin, zu einem anderen Ergebnis als der BGH zu kommen. § 569 BGB gilt nach Ansicht des LG Berlin eindeutig auch für eine durch einen Mietrückstand bedingte ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn zur Vermeidung von Obdachlosigkeit sei die Anwendung der Schonfristzahlung auch auf ordentliche Kündigungen geboten (LG Berlin, Urteil v. 01.07.22, Az. 66 S 200/21).
Ich wurde dazu nach meiner Meinung gefragt:
Die 66 Kammer LG Berlin hat in der Vergangenheit schon einmal so geurteilt und der BGH hat das Berufungsurteil dann aufgehoben. Es ist zu erwarten, dass er dies wieder tut, auch wenn die Berliner Landesregierung die Auffassung der 66. Kammer des Landgerichts politisch wahrscheinlich unterstützen wird, u.a. ist die Justizsenatorin Parteigängerin von DIE LINKE.
Die Schonfrist gem. § 569 Abs.3 Ziff. 2 BGB bezieht sich ausdrücklich auf die außerordentliche Kündigung des Wohnungsmietvertrages gem. 543 Abs.2 Satz 1 Nr. 3 BGB und nicht auf die fristgemäße Kündigung.
Hintergrund: Kommt es zu einer Verzögerung, dann hat der Mieter einmalig innerhalb von 2 Jahren die Heilungsmöglichkeit, insbesondere wenn eine öffentliche Stelle (Jobcenter) die Verpflichtung übernimmt und der Vermieter mit der fristlosen Kündigung wegen des Zahlungsverzuges kurzfristig das Mietverhältnis beenden will.
Anders ist seine Motivation bei der Kombination aus fristloser und fristgemäßer Kündigung einzuschätzen, weil der Vermieter dann auf jeden Fall und unwiderruflich das MV beenden will und dafür auch die Kündigungsfrist akzeptieren muss und will.
Aber auch in diesem Fall können sich die Parteien ggf. vergleichsweise über die Fortsetzung des Mietverhältnisses verständigen, wenn der Mieter dies will und der Vermieter mitspielt.
Ich halte die Auffassung der 66. Kammer für falsch, weil sie eindeutig gegen Gesetzestext und -zusammenhang der Kündigungsvorschriften im BGB verstößt. Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Schonfrist ausgedehnt werden sollte, im Gegenteil.
Kommt es zu einer Kündigung, dann liegt dem meistens ein längerer Streit zugrunde, für eine weitere Schonfrist besteht dann kein Anlass. Die Heilungsmöglichkeit bei fristloser Kündigung im Rahmen der zweimonatigen Schonfrist wurde aus sozialpolitischen Gründen und zur Entlastung der Amts- und Landgerichte geschaffen, vorher haben die Gerichte meistens bei kurzer Verzögerung und zeitnaher Zahlung fristlose Kündigungen durch Urteil für unwirksam, weil unangemessen erklärt. Solche Gerichtsverfahren können durch die Zahlung im Rahmen der Schonfrist vermieden und Kosten dadurch eingespart werden.
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